Als ich vor über 30 Jahren nach Kanada auswanderte, gab es noch keine digitalen Kameras und wenn ich Tiere fotografierte, besonders im Schnee bei diversen Lichtverhältnissen, war dies recht schwierig. Denn grellweißer, sauberer Schnee, der besonders in der kanadischen Atlantikprovinz Nova Scotia in den sonnenreichen Wintermonaten das Tageslicht intensiv reflektiert, macht das Fotografieren von dunklen Tieren, wie Elchen, Hirschen, Robben und Adlern nicht immer einfach.

Als dann vor ca. 20 Jahren die ersten digitalen Kameras aufkamen, wurde Einiges unkomplizierter. Obwohl ich heute zeitlich weniger zum Fotografieren komme, kann ich in einer recht kurzen Zeit aufgrund der fortgeschrittenen Technik bessere Fotos machen. Auch kann ich sofort auf meinem Kameramonitor sehen, ob eine Kameraeinstellung richtig war und dies vereinfacht Vieles beim Fotografieren. Besonders wenn man Tiere fotografiert, die sich gern schnell und viel bewegen, hat man oft nur wenige Sekunden um ein Foto zu ergattern. In dieser Ausgabe zeige ich einige Fotos, die ich auf Cape Breton Island, im Süd-Osten Kanadas in den letzten 30 Jahren machen durfte. Man wartet oft lang auf die Tiere, hat aber für das jeweilige Foto aufgrund von Bewegungen nur wenig Zeit. Geduld und schnelle Reaktion sind gleichzeitig angesagt.

Robben, Hirsche und Adler

Der Winter ist eindeutig die beste Zeit, um Robben, Hirsche und Adler zu fotografieren, da man sich einfach näher an die Tiere ranpirschen kann. Besonders einfach ist dies bei Robben, die oft zum Sonnen auf dem Eis liegen. Man stellt sich nur zwischen das Loch im Eis und die Robbe und schon hat die Robbe keine Rückzugsmöglichkeiten mehr. Nun kommt man bis zu einem Meter an die einzelnen Tiere ran. Hier ist immer größte Vorsicht angesagt, da Robben ängstliche Tiere sind und zuweilen versuchen, mit ihren sehr scharfen Zähnen zu beißen. Kein Wunder, alles sich auf dem Eis Bewegende, wird als potenzielle Gefahr wahrgenommen. Wir haben zwar keine Eisbären in Nova Scotia, trotzdem kommen die Tiere aber durch stetige Migration öfter aus Gegenden, in denen Eisbären vorhanden sind.

Schwieriger zu fotografieren sind da schon die in Nova Scotia viel anzutreffenden Weißkopfseeadler (Bald Eagles), die man zwar mit auf dem Eis liegenden Fischen anködern kann, trotzdem aber nur für kurze Zeit an die Beute ran fliegen. Hier gibt es eine klar strukturierte Reihenfolge, gemäß welcher sich die Vogelarten anpirschen. Erst kommen die frechen Seemöwen (Seagulls) und streiten sich um die Fische. Die Möwen wiederum werden von den hochintelligenten Krähen wahrgenommen, die dann auch ihren Anteil an den Leckerbissen suchen. Durch das viele Streiten der Möwen und Krähen werden dann die Adler auf die Fische an meinen Fotostellen aufmerksam und sind dann auch nicht mehr so scheu. Meist schiebe ich eine kleine Hütte aufs Eis, aus der ich fotografiere und kann auch ohne in die Luft zu schauen, immer sofort wahrnehmen, wann Adler kommen. Sobald Adler über meiner Hütte kreisen, verschwinden alle Möwen und Krähen, da diese genau wissen, dass die Adler mit ihren großen Krallen sie beim Landen direkt erwischen können. Wenn mal gelandet, stellen Adler keine Gefahr mehr für die anderen Vögel dar und somit kommen diese dann oft nicht nur näher an Beute und Adler heran, sondern traktieren immer wieder den Adler, der nun recht hilflos auf dem Eis sitzt und sich vor den Scharen von Möwen und Krähen kaum retten kann. Ein sehr interessantes Spiel für den Betrachter. Wer von einer Hütte aus fotografiert, sollte diese einige Wochen vorher aufs Eis ziehen, damit sich die Tiere hieran gewöhnen und die Hütte nicht als Gefahr wahrnehmen. Eine Tarnung ist bei Adlern immer von Vorteil. Bei Hirschen kann man auch ein Zelt benutzen, da diese das Farbenspektrum nicht wahrzunehmen scheinen.

Höchste Adler-Population nach Alaska

Nun muss man wissen, dass meine kanadische Wahlheimat Cape Breton Island nach Alaska, die am zweitdichtesten besiedelte Gegend der Welt ist, was den Weißkopfseeadler angeht. Deshalb kommen zuweilen auch viele Adler gleichzeitig an die Futterstellen und oft erinnert mich der Anblick all dieser kämpfenden Vogelarten an ein römisches Amphitheater.

Wenn dann nach einigen Stunden irgendwann Ruhe eingekehrt ist und meine Finger noch nicht ganz eingefroren sind, kann ich nun in Ruhe fotografieren. Da es oft Wochen braucht, bis die Tiere mal meine Futterstandorte angenommen haben und die Eisdecke in Cape Breton meist nur im Januar und Februar dick genug ist, um dort eine Hütte aufzubauen, bleiben mir manchmal nur wenige Tage pro Jahr, an denen ich erfolgreich fotografieren kann. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass ich mehrere Adler zusammen fotografiere. Vor ca. 30 Jahren, kurz nach meiner Auswanderung, rief mich ein kanadischer Freund an und teilte mir mit, dass er über 70 Adler auf einem Baum gezählt habe. Da ich dies für unmöglich hielt, fuhr ich an den von ihm beschriebenen Ort und sah, dass er nicht übertrieben hatte. Im April und Mai jeden Jahres ziehen zwei Fischsorten namens „Smelts“ und „Gaspereau“ vom Atlantik über die Flüsse und Bäche in die Seen zum Laichen. Ich stellte fest, dass der Bach an welchem der Baum stand, auf dem die Adler sich befanden, fast schwarz vor Fischen war und nun wusste ich auch, warum über 70 Adler auf dem Baum saßen und viele Weitere über mir kreisten. Leider hatte ich damals meine Kamera nicht dabei und es gab noch keine Handys zum fotografieren. Ich habe aber in den folgenden Jahrzehnten immer wieder ähnliche Bilder gesehen, z. B. am „Margaree River“, „River Denys“ und „River Inhabitants“. Dies sind die bekanntesten Flüsse in Cape Breton und auch andere Tierarten, wie zum Beispiel Fischreiher, Otter, Biber und Schildkröten sind hier zu finden.

Tierfotograf aus Leidenschaft

Im Weiteren folgen einige Fotos von Robben und Adlern, die ich in den letzten Jahrzehnten machen konnte. Obwohl ich gerne in unserem Canadian Pioneer Estates Ltd. Büro mit Wasserblick direkt an der „Canso Causeway Bucht“ sitze, freue ich mich dann auch immer wieder auf unsere Fotoerkundungstouren „outdoors“.

Die Fotos von den Adlerhorsten (S. 50 und 51) waren durch unseren Beruf bedingt für uns eine sehr ungewöhnliche und glückliche Konstellation. Beim Planen einer unserer Landerschließungsprojekte wurden wir auf zwei Adlernester aufmerksam, die auf hohen Kiefern über der gesamten Erschließungsfläche thronten. Unsere indianischen Freunde hatten uns schon vorher von den Nestern erzählt und wir haben dann auch unseren Straßenbau verändert, um diese zu retten. Danach bin ich in meiner wenigen Freizeit mit meinen Kindern viel durch Baumkronen geklettert und während wir auf unseren temporären Aussichtspunkten fotografieren konnten, hat unser Freund Ingo Brückmann mit seinen Videokameras gefilmt (siehe Film-Link im kommenden Absatz).

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Anschauen der Fotos und füge auch noch einige Fotos von Weißwedelhirschen ein, die ich zusammen mit meinen Kindern 2009 gemacht habe.

Wer mehr zum Tierfotografieren wissen möchte, kann sich gerne auch einen Film anschauen, den Michael Vogt und Niki Vogt zusammen mit unseren indianischen Freunden und meinen Kindern über Tierfotografie und Indianerkultur gedreht haben. Dies ist der gleiche Film, den Niki Vogt auch schon bei ihrem Artikel zum Eisfischen vorgeschlagen hat.

Tipp für Fotografen

Wer nun einen Geheimtipp zum Fotografieren haben möchte, dem kann ich nur sagen, Sie müssen planen, zu welcher Jahres- und Tageszeit, bei welchen Lichtverhältnissen und welchem Sonnenstand, mit welcher Kamera und welchem Objektiv, mit welchen Ködern, an welchem Gewässer, auf welche Distanz fotografiert werden muss. Und hoffen, dass sich die Tiere nicht bewegen bzw. nur im passenden Moment. Auch Geräuschlosigkeit und die richtige Windrichtung sind sehr relevant. Hört sich kompliziert an? Ja, ist es auch.

Herzlichst, Ihr Rolf Bouman