1966 – 2019
Friends United im Gedenken an Jay Bell Redbird – ein großartiger Mensch und außergewöhnlicher Künstler ist von uns gegangen

Es gibt hochbegabte Künstler und es gibt einfach wunderbare Menschen. Jay Bell Redbird war beides. Ihn kennenlernen und lieben war eins. Ein sanftmütiger, großer Bär und ein Scherzbold, ein begnadeter Künstler und treuer Freund, spirituell und trotzdem unglaublich lustig, geduldig und doch engagiert. Leider und zur Trauer aller die ihn kannten, starb er 2019. Er starb, wie er war: Überraschend und sanft. Er schlief einfach ein und träumte sich in das Land seiner Vorväter.

Jay Bell Redbird – sein indianischer Name lautete „Medicine Wind“ aus dem Adler-Clan – war erfolgreich, seine Werke sind von großer Kraft und doch delikater Farbigkeit und von harmonischer, feiner Linienführung. Klar gegliedert und doch bis in kleinsten Details ausgearbeitet. Ihre Botschaft geheimnisvoll und doch mit dem Herzen fühlbar, jedes Detail von tiefer Bedeutung und doch eine ausbalancierte Gesamtkomposition. Seine Kunst erwuchs aus den bis zu 30.000 Jahre alten Lehren der First Nations. Sein Stamm ist der der Ojibway, er war ein Mitglied des „Unceded Indian
Reserve Wiikwemkoong“ in Kanada. „Unceded“ bedeutet, es ist ein nicht aufgegebenes Reservat, also ein indianisches Siedlungsgebiet, das niemals einen Vertrag mit der Regierung geschlossen hat, der Regierung irgendeinen Titel für das Land überlassen hat, auf keine Rechte verzichtet oder der Regierung irgendwelche Rechte überlassen hat. Auf diesem Gebiet wohnen heute noch freie Stämme: die Ojibway, die Odawa und die Potawatomi People, vereint unter dem „Rat der Drei Feuer“.

In der Welt bekannt

Seine Bilder sind gefragt in internationalen Galerien, auch in Deutschland hat er bereits ausgestellt. Jay war sehr früh zu seinem engen Freund Rolf Bouman gestoßen und hat nicht nur viel zu dem Wachsen und Gedeihen der Initiative „Friends United“ beigetragen, die heute eines der wichtigsten Projekte zur Bewahrung und Neubelebung der indigenen Kultur Kanadas geworden ist und einen enormen Schritt zur Verständigung und Akzeptanz zwischen der Welt der indigenen Kanadier, der First Nations und der Gesellschaft der Einwanderer geleistet hat. Er ist auch ein Botschafter der kanadischen Ureinwohner in der ganzen Welt geworden.
Es gibt Sammler in Deutschland, Schottland, Tschechien, England, USA und China, die seine Werke lieben und schätzen und eigene Kollektionen aufgebaut haben. In Kanada stellen verschiedene Universitäten, Colleges, Schulen und Kindergärten, Anwaltskanzleien und Bürozentren seine Werke aus. Sogar in manchen Filmen sind sie zu sehen.

Von der Filmindustrie in die Kunst

Da Jay Bell Redbird auch acht Jahre im Filmgeschäft in Toronto gearbeitet hat, schmücken seine Gemälde auch manche Wand in den Villen von Hollywoods Schauspielern.
So erwarben zum Beispiel Danny DeVito und Michael Douglas, aber auch einige andere Hollywood Stars seine Gemälde. Viele dieser Schauspieler ermutigten Jay, seine Kreativität noch mehr auf das Malen seiner Bilder vollzeitmäßig auszuweiten und damit die wichtige Geschichte seines Volkes zu erzählen. Die kanadische Senatorin Mary Coyle beschrieb dies in ihrer Abschiedsrede im kanadischen Senat.

Vielleicht fand Jay hier auch sein Talent, mit kleinen schauspielerischen Einlagen seine Freunde und auch ahnungslose Besucher zu foppen. Besonders gern gab er die Rolle des „weisen, alten Indianers“ und erzählte feierlich und getragen eine Geschichte, die dann in lautem Gelächter endete. Um seinen besonderen Schalk ein bisschen spürbar werden zu lassen, sei hier eine seiner kleinen Geschichten erzählt.

Wir kamen wieder einmal in Halifax an und trafen uns in der Freundesrunde von Friends United. Ein gemeinsamer Freund hatte uns vom Flughafen Halifax abgeholt und wir gingen alle zusammen zu Abend essen. Jays Lebensgefährtin Halina Stopyra saß neben ihm, auch sie ist eine fantastische Künstlerin und ein sehr besonderer, toller Mensch. Auf einmal setzte Jay sein würdevoll-bedeutungsschweres Gesicht auf und verkündete feierlich:

„Wisst Ihr, sie haben mir einen neuen Namen verliehen.“

Natürlich ahnten wir, dass jetzt irgendeine seiner lustigen
Geschichten kommt, aber er inszenierte es gekonnt und wir fragten brav: „Aha, welchen denn?“

„Sie nennen mich nun ‚Wandernder Adler’ (walking eagle).“

„Soso, und warum?“

„Nun, höret! Ich besuchte meinen Freund ‚Springender Hirsch’ (Name von der Redaktion geändert) in seinem Laden. Doch er nahm mich nicht wahr, weil er mit der Kasse beschäftigt war. Also schlich ich mich behutsam unterhalb des Tresens an, wie nur die Besten meines edlen Stammes es können, so dass er nichts bemerkte. Als ich direkt vor ihm unter dem Tresen hervorsprang und mit den Armen fuchtelte, erschrak er sehr. Als er sich wieder gefasst hatte, sprach er also zu mir: ‚Du sollst fortan ‚Wandernder Adler’ heißen.’ – und ich fragte
ihn, warum.“

Kunstpause. Jay guckt bedeutsam. Alle kichern bei der Vorstellung, wie der große Bär Jay den armen Ladenbesitzer fast in den Herzinfarkt gejagt hat.

„Da sprach Springender Hirsch zu mir: ‚Weil Du so voll mit Unsinn gestopft bist, dass Du nicht mehr fliegen kannst!’“

„Medicine Wind“

Jay Bell Redbird, „Medicine Wind“, war als Künstler Autodidakt. Aber er lernte schon als ganz junger Mensch unter dem Einfluss des weltbekannten, indianischen Künstlers Norval Morrisseau die Faszination und die Techniken der Malerei kennen. Auch sein Onkel Leland Bell und sein Vater Duke Redbird, beide ebenfalls Künstler, lehrten und förderten ihn und seine große Begabung. Norval Morrisseau lehrte Jay als Teenager die Bedeutung der Farben und welche uralte Beziehung sie zu seiner indigenen Muttersprache, Geschichte und Kultur haben. Sein Onkel Leland Bell brachte ihm die nötigen Techniken bei, unterwies ihn in den alten Lehren seines Volkes und erzählte ihm die uralten Geschichten, die schon vor Hunderten Jahren an den Feuern von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Daraus erfuhr er vieles über die Geister der Tiere und welche traditionellen Formen und Farben die alten Lehren und Geschichten in sich tragen. Fünf Kurzfilme und Interviews hierzu finden Sie unter http://www.friends-united.ca/interviews/

Jay (Medicine Wind) entwickelte in diesen, ihn formenden Jahren, seine ganz eigene Sicht der Welt und seine ganz persönliche Bildsprache und Stimme und damit auch sein Selbstbewusstsein als indigener Künstler. Rolf Bouman traf er im Jahr 2012 und war gleich sehr angetan von dessen Plänen und seinem Engagement für die First Nations, besonders den Aspekt der Versöhnung der eingeborenen Gesellschaft der First Nations mit der Einwanderungsgesellschaft schätzte er an dieser Arbeit sehr. Und es machte ihn froh und stolz, sein Wissen und Können auch als Mentor für andere Künstler in der Friends United Initiative weitergeben zu dürfen. Trotz seines Erfolges und Bekanntheitsgrades zeigte er nie einen Anflug von Arroganz oder Überheblichkeit und neidete auch niemand anderem dessen Erfolg. Viele Künstler aus dem Kreis der Friends United Initiative haben viel von ihm gelernt und konnten sich Dank seiner Unterstützung erfolgreich etablieren.

Musik-CD zum Gedenken an Jay

Sehr erwähnenswert ist auch ein Musikprojekt, das von Rolf Bouman und Jay zusammen ins Leben gerufen wurde. Hier brachten die beiden bekannte Musiker aus der ganzen Welt zusammen, um musikalische Kollaborationen mit den First Nations Kanadas zu komponieren. Federführend bei diesem Projekt waren Maite Itoiz, die durch „Elfenthal“-Produktionen sehr bekannt wurde und ihr Mann John Kelly, der auch ein Teil von „Elfenthal“ und natürlich der Kelly Family ist. Maite Itoiz komponierte, mixte, sang und spielte Musik zusammen mit verschiedensten Musikern 10 Soundtracks. Auch Jays Vater Duke Redbird und sein Onkel Leland Bell wirkten hierbei mit. Diese CD wird nun Jays Leben gewidmet und im nächsten Jahr publiziert.

»Wir alle vermissen Jay,
sein riesengroßes Herz und seinen grandiosen Humor.«

Die Initiative Friends United hat mit ihm einen großartigen Menschen verloren und besonders Rolf Bouman seinen Bruder, denn das waren die beiden geworden. Sie sind verwandte Seelen. Sie werden sich eines Tages wiedersehen.