Die Temperaturen sind angenehm warm, es weht oft ein Lüftchen und die Strände füllen sich – Sommer auf Cape Breton, einer faszinierenden Insel in der ostkanadischen Provinz Nova Scotia. Überall schwirrt es in der Luft: Schmetterlinge flattern umher und die Kolibris laben sich an den Nektar bietenden Pflanzen. Doch sie fliegen auch zu den, für sie bereiteten Futterstellen. Es ist für mich eine wahre Wonne, diesen winzigen und flinken Geschöpfen zuzuschauen, wenn sie oftmals abends vorbeikommen und versuchen, den besten Futterplatz zu ergattern. Manchmal kommen sie mich auch im Garten besuchen, beglücken mich dort mit ihrer Anwesenheit und schauen, ob sie etwas Süßes finden.

Menschen wieder zurück zur Natur führen

Im vorigen Jahr habe ich im Rahmen der Friends United-Initiative auf Cape Breton ein Gartenprojekt begonnen, um Autarkie zu fördern, Menschen wieder zurück zur Natur zu führen und gesunde Lebensmittel zu produzieren.
Dabei sollen teilweise traditionelle Anbaustile der First Nations als Vorbild aufgegriffen werden. Es sollen unter anderem typische Pflanzensorten zum Einsatz kommen, welche die Indianer früher nutzten, um sich zu ernähren und medizinisch zu versorgen.
Letztes Jahr habe ich mehrere Hochbeete angelegt, um die ersten Grundlagen für unser Projekt zu legen. Diese wurden erfolgreich bewirtschaftet und ich konnte schon das erste Gemüse ernten. Es wurden auch einige Obstbäume gepflanzt wie Apfel-, Birnen-, Kirschen- und Pfirsichbäume. Diese fühlen sich inzwischen sehr wohl an ihrem neuen Standort und gedeihen prächtig.

Mutter Erde beschenkt uns reichlich mit ihren Früchten

Nun ist das Wachstum in der Hochsaison und Mutter Erde beschenkt uns reichlich mit ihren Früchten. Viele Indianer sprechen gerne von Mutter Erde, mother earth, weil sie eine innige Beziehung zur Natur haben und diese wie eine Mutter wertschätzen. Die Saison im Freiland fängt auf Cape Breton Island, im Vergleich zu Deutschland, etwas später an. Da muss ich mich im Frühjahr immer etwas länger gedulden. Doch jetzt habe ich das Gefühl, dass die Natur diesen Vorsprung aufholen möchte. Es fängt alles an, in die Höhe zu schießen. Die Köpfe am Kohl bilden sich bereits und bald kann ich die ersten Tomaten ernten.
Wenn nun langsam alles reif wird, gehe ich regelmäßig in den Garten, um den optimalen Erntezeitpunkt nicht zu verpassen. Dies kann bei diesem „Wachstumswetter“ teilweise sehr schnell gehen. Wenn das Gemüse in die Samenreife übergeht, nennt der Gärtner diesen Vorgang schießen“. Nach diesem Prozess ist das Gemüse für den Menschen oftmals nicht mehr verzehrbar, da es bitter wird, wie beim Salat, faserig oder holzig, wie beim Radieschen, oder hart wie der Blütenstängel des Schnittlauchs.

Im Sommer ist es wichtig zu schauen, dass die Pflanzen gut versorgt sind

Im Sommer muss man schauen, dass die Pflanzen gut versorgt sind und eine gute Grundlage zum Wachsen haben. Dazu gehören ausreichend Nährstoffe, welche am besten mit organischen Düngergaben zugeführt werden können.
Dabei geht es nicht nur darum, die Pflanzen zu nähren, sondern auch die unzähligen Bodenlebewesen zu füttern, welche im Boden ihr Zuhause haben. Sie sind diejenigen, welche dem Boden seine Gesundheit und sein Gleichgewicht erhalten. Um ihnen genügend Nahrung zu geben, verwende ich ausschließlich organischen Dünger. Diesen können die Bodenlebewesen mit der Zeit zersetzen.
Dadurch verhindere ich entweder deren Absterben oder deren Abwanderung. Des Weiteren sollte das Augenmerk auf eine ausreichende Wasserzufuhr gerichtet sein. Diese sollte, wenn möglich, am Morgen erfolgen, denn dann haben die Pflanzen genügend Zeit, um tagsüber abzutrocknen.
Dadurch wird den, in der Natur lebenden Bakterien die Lebensgrundlage entzogen, da diese es feucht und warm brauchen, um sich weiter vermehren zu können.
Zurzeit kann das Wässern manchmal ausgelassen werden, da es nachts des Öfteren einen Regenschauer gibt, der gut wässert und die Temperaturen wieder angenehm abkühlt.

Zu beachten sind immer die Wachstumsdauer und der Anfang der Frostperiode

Jetzt ist es auch an der Zeit, sich Gedanken zu machen, welches Gemüse im Herbst geerntet werden soll. Denn dieses sollte nun in den nächsten Wochen gesät beziehungsweise gepflanzt werden. Zu beachten sind immer die Wachstumsdauer und der Anfang der Frostperiode. Dann kann der Auspflanzungszeitpunkt bestimmt werden, sodass die empfindlicheren Sorten noch vor dem ersten Frost reif werden. Unempfindliches Gemüse kann auch später geerntet werden. Neben den selbst angepflanzten Sorten, können auch viele wild wachsende Pflanzen beobachtet werden. Zurzeit blüht zum Beispiel das so genannte „Fireweed“, auf Deutsch „Schmalblättriges Weidenröschen“ (Epilobium angustifolium, L.). Dieses hat wunderschöne, lila Blüten, welche sich, von unten anfangend, nach oben hin öffnen. Somit hat diese Pflanze eine sehr lange Blütendauer und ist eine hervorragende Bienenweide. Sie tritt oft an Stellen auf, an denen frisch gerodet wurde. Indianer nutzten die geschälte Wurzel und machten daraus einen Umschlag, der bei Verbrennungen, Schwellungen und Beulen zur Linderung beitragen sollte. Aus den Blättern und Wurzeln wurde auch ein Tee hergestellt, der bei Unterleibskrämpfen half.

Das Weidenröschen hat eine clevere Fortpflanzungsweise für sich entdeckt

Das Weidenröschen hat eine clevere Fortpflanzungsweise für sich entdeckt, weshalb aufgepasst werden muss, dass das Weidenröschen mit der Zeit nicht überhand nimmt.
Einerseits vermehrt es sich durch unterirdisch wachsende Rhizome (Wurzelstock) und andererseits bilden sich nach dem Verblühen unzählige, kleine Schirmchen, ähnlich wie beim Löwenzahn, die vom Wind weit getragen werden können.
Es fasziniert mich immer wieder, wie klug die Natur dafür sorgt, dass die Fortpflanzung sichergestellt wird. Manches Mal sehen wir nur ein Kraut, welches vielleicht gar nicht erwünscht ist und welchem wir nicht Herr werden können.
Dahinter steht für mich jedoch ein Wunderwerk der Natur, dessen Bedeutung ich mir immer wieder bewusst mache, wenn ich am Jäten bin. Es gibt so viele Dinge in einem Garten zu entdecken. Nehmen Sie sich am besten immer wieder etwas Zeit, um die Natur zu genießen, zu beobachten und mal wieder abzuschalten. Suchen Sie sich ein nettes Plätzchen für eine Sitzgelegenheit aus, um sich an der Vielfältigkeit ihres Gartens zu erfreuen.
Ich wünsche Ihnen eine wundervolle Zeit und sende Ihnen sommerliche Grüße von der grünen Insel Cape Breton.

Marion Spaude stammt aus Baden-Württemberg, ist gelernte Gemüsegärtnerin und lebt seit 2017 auf Cape Breton Island.