Weltweit wird bei einem Landkauf im Normalfall kein Notar ein Grundstück inspizieren. Auch in unserer kanadischen Atlantikprovinz Nova Scotia ist dies nicht anders. Hier beauftragt man einen Landvermesser, der Fakten ermittelt bezüglich Grundstücksgröße, Lage, Maßen, Wegerechten, möglicherweise entnommenen Parzellen, potenziellen Grenzanfechtungen bezüglich Nachbargrundstücken etc. Diese Vermessung ist von äußerster Wichtigkeit, um zu wissen, was man genau erwirbt. Im Normalfall bezahlt bei einem Kauf er Käufer diesen Landvermesser, um Klarheit zu schaffen und Garantien zu erhalten. Bei unseren Firmen ist dies nicht der Fall, da alle, von uns erschlossenen Grundstücke schon komplett vermessen und somit von einem staatlich zugelassenen Vermesser zertifiziert wurden.
Als ich im Jahre 1987 nach Nova Scotia auswanderte und in der Immobilienbranche tätig wurde, waren nur rund fünf Prozent der ländlichen Grundstücke vermessen. Heute, über 30 Jahre später, darf man davon ausgehen, dass circa 50 Prozent der, uns zum Kauf angebotenen Grundstücke vermessen sind. Da wir als Erschließungsträger vorher genau wissen müssen, was wir denn tatsächlich erwerben können, um es später weiter zu erschließen beziehungsweise zu verkaufen, wird bei uns ausnahmslos jedes Grundstück von staatlich zugelassenen Vermessern zertifiziert und vermessen. Erst gestern passierte es, dass wir über einen ansässigen Makler ein Grundstück von Privatpersonen erwerben wollten, leider aber vom Kaufvertrag zurücktreten mussten, da der Vermesser ein altes, öffentliches Wegerecht fand, welches das Grundstück so negativ durchzog, beziehungsweise teilte, dass eine Zufahrt des Gesamtgeländes vollkommen unmöglich war. Wer inmitten von Städten ein Grundstück erwirbt, kann allerdings schon davon ausgehen, dass es im Normalfall vorher vermessen wurde, da in Städten meist sehr kleine Parzellen veräußert werden.
Eine Vermessung sollte auch darüber aufklären, ob Gebäude, welche man erwerben möchte, ebenfalls auf dem Grundstück stehen, welches erworben werden soll. Dies gilt genauso für die Zuwegungen, Stromversorgung beziehungsweise Abwasser- und Frischwasseranlage. Leider mache ich hier keinen Scherz. Zu oft habe ich festgestellt, dass, wenn wir Land erwerben wollten, unsere Grenze durch das Haus des Nachbarn ging oder aber die Abwasseranlage sowie andere Infrastruktur nicht auf dem richtigen Grundstück gelegen waren. Hier liegt also die Notwendigkeit einer Vermessung auf der Hand. Wer also von privat, einem Makler oder einem Erschließungsträger kauft, sollte eine Vermessung mit einplanen, wenn diese nicht schon einwandfrei und vollständig vorhanden ist.
Im Normalfall bezahlt der Käufer die Vermessung selbst, da dieser genaue Fakten zum Landerwerb schaffen möchte. In früheren Jahrhunderten, insbesondere Jahrzehnten, hat man oft Häuser einfach dort hingebaut, wo man die Mitte des Grundstücks vermutete. Dies wurde in den folgenden Jahrhunderten, besonders, wenn durch Erbfolge Grundstücke aufgeteilt worden waren, immer schwieriger. Oft beziehen sich alte Vermessungen, wenn überhaupt erfolgt, auf Bäume, Zäune und ungefähre Schrittlängen, die heute in den wenigsten Fällen noch nachvollziehbar sind.
Dem Vermesser obliegt im Normalfall bei einer Vollvermessung mindestens konkret:
- die Größe des Grundstücks festzulegen sowie
- die Lage,
- die Maße,
- ob irgendwelche Wegerechte durch das Grundstück führen,
- ob etwa Parzellen aus dem Grundstück entnommen sind,
- ob Grenzanfechtungen oder Grenzüberschneidungen bestehen,
- wer die Nachbarn sind,
- wem das Grundstück gehört,
- wie die Straßen und Gewässer heißen,
- die Lagebestimmung von Gebäuden und einzelnen Infrastrukturkomponenten.
Der Vermesser ist gut beraten, nicht nur in engem Kontakt mit dem Notar zu arbeiten, sondern er muss auch selbst massivste Recherchen betreiben, was über die letzten Jahrzehnte, teilweise sogar Jahrhunderte, auf diesem Grundstück passierte. Hierbei sind oft Luftaufnahmen sehr hilfreich, die im Normalfall alle zehn Jahre geflogen wurden, meist beginnend in den 30er oder 40er Jahren des letzten Jahrhunderts und erhältlich vom Department of Energy, Mines and Ressources. Diese Erstluftaufnahmen existieren nur in einer Schwarz-Weiß-Ausführung.
Der Vermesser ist auch angehalten, mögliche Grenzdispute oder Grenzanfechtungen aufzuzeigen, falls vorhanden. Diese könnte ein Notar beim Grundbuchamt nicht, wenn nicht schon vorher eingetragen, ersehen, da ein Notar, wie schon erwähnt, das Grundstück nicht persönlich inspiziert bzw. abläuft. Wer einen echten Vermessungsplan (siehe Seiten 54-55) sieht, der sehr viele detaillierte Informationen ausweisen sollte (siehe Fotos auf den folgenden Seiten), weiß dann auch, warum ein Vermesser eine langjährige Universitätsausbildung absolvieren muss und danach etliche Jahre in der Praxis arbeitet, bevor er als Nova Scotia Land Surveyor (Nova Scotia Landvermesser) zugelassen wird. Hat dieser seine Zulassung erhalten, bekommt der jeweilige Vermesser eine Nummer von der Vermesservereinigung zugeteilt, die im Normalfall dreistellig ist. Diese Nummer muss nicht nur neben Namen und Siegel des Vermessers auf jedem Vermessungsplan erscheinen, sondern wird im Normalfall auch auf den Vermessungskappen, entlang der einzelnen Grenzen, eingestanzt sein (siehe Foto). Vor vielen Jahren wurden Grundstücke noch mit Laserstrahlpeilinstrumenten vermessen, seit circa zehn Jahren wird hier fast alles mit GPS geregelt. Dieses ermöglicht dem Vermesser, besonders bei Ufergrundstücken, genauere Fakten zu schaffen, denn Gewässer verlaufen im Normalfall nicht gradlinig, was das Ufer betrifft.
Jeder Käufer sollte sich Zeit nehmen, mit dem Vermesser persönlich zu sprechen und das Grundstück nach der Vermessung abzulaufen. Sinnvoll ist es auch, die Ergebnisse der Vermessung mit seinem Notar durchzusprechen. Die Vermessung einer kleinen Parzelle (circa 10.000 qm2) kostet im Normalfall circa $2.000. Diese Summe kann jedoch bei großen Grundstücken bis zu $20.000 ansteigen. Meist ist ausschlaggebend, wie viele Kilometer Vermessungsschneise der Vermesser schlagen und in welchem Umfang Research (Nachforschung) im Einzelnen betrieben werden musste. Sollte das Grundstück doch nicht erwerbbar sein, muss trotzdem der Vermesser vom Auftraggeber bezahlt werden.
Manchmal kann es dazu kommen, dass Nachbarn wirklich nicht wissen, wo die Grenzen liegen, da sie möglicherweise beide ihre Grundstücke geerbt haben. In diesem Fall trifft man ein sogenanntes notarielles Grenzabkommen. Dies ist durchaus üblich und kann danach auch beim Grundbuchamt eingetragen werden, um dann für zukünftige Eigentümer klare Fakten geschaffen zu haben.
Es ist wünschenswert, dass eine Vermessung im Normalfall in Zusammenhang mit anderen staatlichen Vermessungsmonumenten steht, selbst wenn diese einige Kilometer vom Grundstück entfernt sein sollten. Auch muss eine Vermessung andere, an das Grundstück grenzende Vermessungen reflektieren und mit diesen in Einklang gebracht werden. Nur so ist es möglich, mathematisch jederzeit auf Grund und Boden die Grenzen zu rekonstruieren, wenn mal Grenzschneisen zugewachsen sein sollten oder möglicherweise bei einem Straßenbau Vermessungsmarkierungen versehentlich entfernt wurden. Natürlich ist es ein Vergehen, Grenzmarkierungen absichtlich zu entfernen oder vielleicht sogar zu versetzen.
Ein letzter, wichtiger Punkt liegt in der Vollvermessung. Selbst wenn mehrere Grundstücksgrenzen bei Erwerb schon vermessen sein sollten, reicht es nicht aus, nur die verbleibenden Grenzen vermessen zu lassen. Um eine klare Aussage zu erhalten, was sich auch innerhalb des Grundstücks abspielt, so zum Beispiel die Frage, ob aus dem zu erwerbenden Grundstück Parzellen entnommen wurden oder Wegerechte bestehen, ist eine Vollvermessung notwendig. Nur dann, wenn der gleiche Vermesser angehalten ist, über alle Grenzen des Grundstücks ein Zertifikat zu erstellen, muss sich dieser auch mit dem “Innenleben” des Grundstücks befassen. Der Vermesser hat in diesem Fall auch seinem Auftraggeber gegenüber eine zeitlich unbegrenzte Haftung für seine Arbeit.
Dieser Artikel beruht auf einer Erfahrung von über dreißig Jahren, die wir bei 1600 Grundstückserschließungen beziehungsweise Verkäufen gesammelt haben. Da trotzdem jeder Grundstückserwerb ein Einzelfall ist, mögen durchaus weitere, wichtige Aspekte beim Landerwerb auftauchen, die ich hier noch nicht behandelt habe. Es kann zum Beispiel vorkommen, dass sich zwei unserer Kunden entscheiden, auf der gemeinsamen Grenze auch eine gemeinsame Straße für die Zufahrt beider Grundstücke bauen zu lassen. Auch solche Gegebenheiten sollten vermessen und im Grundbuch amtlich eingetragen werden. Bitte vergessen Sie nie, dass ein Grundbuchamt nur so genaue Daten ausweisen kann, wie Sie auch bereit sind, dort eintragen zu lassen und damit für immer festlegen. Wir können deshalb keine Garantie für die Vollständigkeit dieses Artikels leisten, da sich ständig neue Situationen ergeben, unter anderem auch in der Gesetzgebung. Bei unseren Grundstücksverkäufen sind noch nie Grenzen angefochten worden, unter anderem auch deshalb, weil wir seit 1989 immer wieder mit den gleichen acht Landvermessern zusammenarbeiten. Wir wählen den Vermesser sinnvollerweise aus dem Vermessungsgebiet, welches der Vermesser abdeckt. Dieser Bericht gibt unsere Erfahrungen der letzten 30 Jahre wieder und zeigt, wie wir als Erschließungsträger vorgehen. Betrachten Sie diesen Bericht bitte als Empfehlung, jedoch nicht als zwingende Vorgehensweise. Entscheiden Sie bitte selbst, am besten unter Einbeziehung von professionellen Dienstleistern, wie zum Beispiel Notar und Vermesser, was für Sie sinnvoll ist. Besonders weise ich darauf hin, dass wir hier von der Provinz Nova Scotia sprechen, da Kanada aus zehn Provinzen und drei Territorien besteht und sich die Gesetzgebung darin durchaus unterscheiden kann.
Gerne beraten wir unsere Kunden im Einzelfall. Wer noch mehr Informationen wünscht, kann sich auf unseren Webseiten etliche Informationsgespräche ansehen, die wir geführt haben. Unsere Webseiten mit weiteren Hinweisen finden Sie am Ende dieses Beitrags.
Ich hoffe, Ihnen mit relevanten Informationen weitergeholfen zu haben und verbleibe für heute mit herzlichen Grüßen aus Nova Scotia
Ihr Rolf Bouman.